1 Geschichte
In der Kirche Westerhusen gab es bereits im 16. Jahrhundert eine Orgel, von der allerdings wenig überliefert ist. Als Jost Sieburg 1642/43 eine neue baute, übernahm er, wie zu der Zeit üblich, große Teile des früheren Werkes. Die heutige Orgel ist also in Teilen rund 500 Jahre alt, wobei die Quintadena 8′, der Prinzipal 4′ und die Octave 2′ aber neu verarbeitet und intoniert wurde. Die Quinte 1 1/2′ ist dagegen noch immer weit mensuriert und besitzt einen flötigen Klang. Den Diskant der Trompete 8′ hat Sieburg übernommen und nur den Bass neu gebaut. Mit ihren kurzen Bechern hat sie einen schnarrenden, kräftigen Klang, der dem Ideal der Renaissance entspricht. Sie ist zusammen mit der in Uttum eine der ältesten Trompetenregister der Welt. Der Gedackt 8′ und die Mixtur IV ist von Sieburg. Anders als in der Nachbargemeinde Uttum, dessen Orgel ungefähr zur selben Zeit ebenfalls unter Verwendung älteren Materials gebaut wurde, repräsentiert Westerhusen aber insgesamt nicht mehr das Klangideal der Renaissance. Dieses war auf die Wiedergabe polyphoner Musik wie bei Sweelinck, ausgerichtet. Sieburg konstruierte ein Klangbild, welches sich zur Begleitung des kräftigen Gemeindegesangs eignet und steht damit für den Beginn einer neuen Entwicklung. Denn von 1641, also ein Jahr vor Baubeginn ist in Ostfriesland der Beginn des orgelbegleiteten Gemeindegesangs überliefert. Auch der untere Teil des Gehäuses ist übernommen worden und zeigt starke Ähnlichkeit zu der berühmten Orgel in Rysum.
1647 erhielt die Orgel ihre Bemalung.
Es folgten kleinere Reparaturen, aber das Pfeifenwerk blieb lange unverändert und erwies sich als sehr widerstandsfähig. Über die Zeit wurden generell nur wenige Pfeifen repariert oder ausgetauscht.
1875 wurde die Kirche neu gestrichen, dabei auch die Orgel, die älteren Inschriften wurde übermalt.
Vor 1900 wurde der Tastenumfang erweitert, die nötigen Pfeifen wurden in einem weiteren Verschlag untergebracht.
1950 befand sich die Orgel in einem sehr schlechten Zustand. Ähnlich wie in Groß Midlum hatte Pfuscher versucht, das Werk zu verbessern, es aber sehr in Mitleidenschaft gezogen. 1955 wurde die Orgel dann durch Ahrend und Brunzema restauriert, eine Pionierleistung der jungen Orgelbauer. Dabei wurden alle späteren Erweiterungen entfernt und das alte Material gereinigt. Lediglich die zusätzlichen Töne Cis, Dis, Fis wurden belassen, sodass die heutige Orgel keine kurze Oktave besitzt. Der fehlende vierte Chor der Mixtur wurde mit altem Material rekonstruiert und die Orgel wieder mitteltönig gestimmt. Außerdem wurde die alte Farbe wieder freigelegt, sodass nun die alten Beschriftungen wieder zu lesen sind.
2 Beschreibung und Besonderheiten
Die Orgel befindet sich auf der Ostseite der Kirche auf einer Empore vor dem Chorraum. Sie verfügt über ein Manual und ein kurzes, angehängtes Pedal. Es sind, von den beiden Zimbelsternen abgesehen, sieben Register vorhanden, die sich alle gut miteinander kombinieren lassen. Besonders hervorzuheben sind Mixtur und Trompete. Die Mixtur hat einen wunderbaren, festlichen und reinen Klang, der auch deutlich größere Orgeln in den Schatten stellt. Sie lässt sich gut mit Octave 4′, Octave 2′ Gedackt 8′ und Quintadena 8′ verwende. Die Trompete 8′ hat einen sehr obertonreichen und farbigen Klang. Die Orgel ist ihrer Historie entsprechend sehr kräftig und im Plenum bei geschlossener Tür auch außerhalb der Kirche noch gut hörbar. Für das Spiel mit Mixtur und/oder Trompete empfiehlt sich für den Organisten, der direkt vor dem Prospekt sitzt, auf Dauer ein Gehörschutz. Ruhige Klänge kann sie nur mit dem Gedackt 8′, der auch alleine einen sehr charakteristischen und obertonreichen Klang hat, in Kombination mit Quintadena oder der Oktave 2′. Gedackt und Quintadena zusammen bilden den in kleineren Orgeln dieser Zeit üblichen Ersatz für den Prinzipal 8′. Für den Gemeindegesang kann dann der Praestant 4′, der auch im Prospekt steht, und bei einer vollen Kirche Mixtur und die übrigen Register hinzugezogen werden. Die Orgel verfügt über zwei Zimbelsterne, die sich drehen und dabei einen glockenspielartigen Klang von sich geben. Da sie mitteltönig gestimmt ist, ist es empfehlenswert nur Stücke mit Tonarten bis maximal A, bzw. Es-Dur auszuwählen. Dafür klingen die „einfachen“ Tonarten aber sehr rein. Es bietet sich natürlich an, Literatur aus der späten Renaissance und dem Frühbarock auszuwählen, beispielsweise von Sweelinck, Scheidt, Praetorius, Scheidemann und Kindermann. Aber auch spätere Komponisten wie Telemann und Pachelbel sind oft umsetzbar, da die mitteltönige Stimmung noch teilweise bis in den Spätbarock angewendet wurde und in dieser Orgel keine kurze Oktave mehr vorhanden ist. Die Orgel ist ein wunderschönes, historisches Werk, das sich jeder Organist und Konzertbesucher unbedingt mal ansehen sollte.
3 Disposition
Praestant 4′ (aus gotischer Orgel umgearbeitet, steht im Prospekt)
Gedackt 8′ (Sieburg)
Quintadena 8′ (aus gotischer Orgel umgearbeitet)
Oktave 2′ (aus gotischer Orgel umgearbeitet)
Quinte 1 1/3′ (aus gotischer Orgel, weit mensuriert)
Mixtur IV (Sieburg, vierter Chor 1955 rekonstruiert)
Trompete 8′ (Bassbereich von Sieburg, Diskantbereich älter)
Zimbelsterne
4 Literaturverzeichnis
Ich gebe keine Gewähr für die Richtigkeit dieses Textes. Neben den folgenden Quellen sind auch meine eigenen Eindrücke von der Orgel eingeflossen.
Nickles, R. (1995): Orgelinventar der Krummhörn und der Stadt Emden. Bremen: H. M. Hauschild.
Ruge, R. (ohne Jahr): Westerhusen, Ev.-ref. Kirche. Orgel von Jost Sieburg (1642/43). Stade: Nomine e. V. http://www.nomine.net/westerhusen-ev-ref-kirche (Aufgerufen am 05.03.2021).