1710-11 | Dornum | von Holy

Die Orgel am 27.11.2021

1 Geschichte

Eine Vorgängerorgel wurde ca. 1530 in der Kirche aufgestellt, aber nicht neu gebaut. Sie könnte aus dem Oldekloster stammen, das ungefähr zu der Zeit aufgelöst wurde. Aus diesem vermutlich spätgotischen Instrument sind noch sechs Register vorhanden. Die hatte Gerhard von Holy bei seinem Neubau der heutigen großen Orgel 1710-11 übernommen. Er baute ein für das Dorf Dornum vergleichsweise riesiges Werk mit Hauptwerk, Brustwerk, Rückpositiv und selbstständigen Pedal. Die Schreibweise der Register richtet sich im Folgenden nach den Beschriftungen am Spieltisch.

In der Epoche der Romantik sind zwei Registergruppen besonders häufig ersetzt worden. In den Manualwerken waren das alle gemischten Stimmen. Auch die Zungenstimmen waren betroffen, von denen blieb aber zumindest der Dulzian 8′ im Rückpositiv verschont. Im Pedal sind fast alle Stimmen, auch die Zungen- und gemischte Stimmen von Holy. Hier ist nur der Principaal 16′ rekonstruiert, der im Prospekt steht. Denn im ersten Weltkrieg wurden alle Prospektpfeifen eingeschmolzen, neben denen im Pedalwerk auch die des Hauptwerks (Principaal 8′) und die des Rückpositivs (Principaal 4′). Neben mehreren wenig zufriedenstellenden Restaurierung im 20. Jahrhundert, in denen aber zumindest die alte Disposition wieder hergestellt wurde, erfolgte in den 90er Jahren dann ein Restaurierung durch die Firma Ahrend, die das Instrument auf den heute bestmöglich rekonstruierbaren Zustand brachte. Zwischen historischen und rekonstruierten Registern kann heute klanglich nicht mehr unterschieden werden.

2 Beschreibungen und Besonderheiten

Die Orgel befindet auf der Westseite der Kirche im obersten Stockwerk einer zweigeschossigen Empore, knapp unter der Decke. Der Principaal 16′ im Prospekt ist aus Platzmangel nur bis zum B offen gebaut, die tieferen Pfeifen stehen als gedeckter 16′ dahinter. Die Manualumfänge betragen typischerweise C bis c“‘ mit kurzer Oktave. Das Pedal geht von C bis d‘. Hier fehlen nur Cis und Dis, was beispielsweise auch Musik von Buxtehude ermöglicht. Ein Großteil der Werke von J. S. Bach ist damit sogar durchaus spielbar. Denn es wurde zudem keine reine, sondern eine moderne, modifiziert mitteltönige Stimmung gelegt, in der alle Tonarten unter ausgeprägter Intervallcharakteristik spielbar sind. Vorteile einer mitteltönigen Stimmung sind dennoch vernehmbar, wie beispielsweise ist sehr farbiges chromatisches Spiel möglich.

Die Orgel verfügt über 32 Register, was für ein Dorforgel extrem groß ist. Sie ist die mit Abstand größte Dorforgel Ostfrieslands und eine der größten in Norddeutschland. Besonders schön ist die Vielzahl an Flötenregistern, davon einige aus Holz. Im Hauptwerk ist das bekannte „Nashorn 3′“. Dies wird zusammen mit Gedact 8′, Rohrfleute 4′ und Tremulant zu einer klanglich großartigen Soloregistrierung. Für einen noch sphärischeren Klang kann zudem die Vox humana 8′ hinzugezogen werden. Der Tremulant wirkt nur auf das Haupt- und Brustwerk. Eine Soloregistrierung damit kann also mit dem Rückpositiv ohne Tremulant begleitet werden. Im Brustwerk stehen Gedact 8′ und Fleute 4′, und im Rückpositiv sogar Quintaden 8′, Gedact 8′, und Fleute 4′ und 2′ für ruhige Kombinationen zur Verfügung. Das Pedal wächst mit, Principaal 16′ und 8′ können durchaus auch Flötenkombinationen begleiten. Mit der Vielzahl an farbigen Aliquotstimmen können ebenfalls interessante Soloregistrierungen gewählt werden.

Auf der anderen Seite verfügt die Orgel über zahlreiche Plenumsregistrierungen. Cymbel und Tertian im Brustwerk lassen sich (meiner persönlichen Meinung nach) sowohl für Soloregistrierungen, als auch im Plenum verwendet und für das volle Werk das Brustwerk an das Hauptwerk gekoppelt werden. Das Plenum im Brustwerk ist am Spielttisch in der Lautstärke kaum zu ertragen, haben unten im Kirchenschiff aber einen brillanten Klang und geben dem Plenum noch etwas Glanz dazu. Glücklicherweise kann das Brustwerk zum Üben mit zwei Holzschiebern geschlossen werden. Im Konzert sollte bei längeren Passagen im vollen Werk nicht auf ein Gehörschutz verzichtet werden. Das Pedal hat zwar keine Koppel, braucht es aber auch nicht, denn Posaune 16′ und Trompete 8′ liefern mit dem Labialen Plenum im Pedal das nötige Fundament.

Es ist kaum möglich, alle Kombinationen zu beschreiben, es lohnt sich definitiv, sich das Werk vor Ort anzusehen und -zuhören.

3 Disposition

Hauptwerk (mittleres Manual):
Quintaden 16′ (Ahrend)
Principaal 8′ (Ahrend)
Gedact 8′ (vor 1530)
Octave 4′ (vor 1530)
Rohrfleute 4′ (vor 1530)
Nashorn 3′ (von Holy)
Octave 2′ (vor 1530)
Mixtuur IV-VI (Ahrend)
Trompete 8′ (Ahrend)
Vox humana 8′ (Ahrend)

Rückpositiv (unteres Manual):
Quintaden 8′ (vor 1530)
Gedact 8′ (von Holy)
Principaal 4′ (Ahrend)
Fleute 4′ (von Holy)
Octave 2′ (von Holy)
Fleute 2′ (vor 1530)
Quinte 1 1/2′ (von Holy)
Sesquialter II (Ahrend)
Mixtur III (Ahrend)
Dulcian 8′ (von Holy)

Brustwerk (oberes Manual):
Gedact 8′ (von Holy)
Fleute 4′ (von Holy)
Octave 2′ (von Holy)
Tertian II (Ahrend)
Cymbel III (Ahrend)
Krummhorn 8′ (Ahrend)

Pedal:
Principaal 16′ (Ahrend)
Octave 8′ (von Holy)
Octave 4′ (von Holy)
Mixtuur VI (von Holy)
Posaune 16′ (von Holy)
Trompete 8′ (von Holy)

Schiebekoppel BW/HW
Tremulant für HW/BW

4 Literaturverzeichnis

Ich gebe keine Gewähr für die Richtigkeit dieses Textes. Neben den folgenden Quellen sind auch meine eigenen Eindrücke von der Orgel eingeflossen.

Ruge, R. (o. J.): Dornum, St. Bartholomäus – Orgel von Gerhard von Holy (1710/11). Stade: Nomine e. V. . http://www.nomine.net/dornum-st-bartholomaeus (aufgerufen am 18.02.2022).

Vogel, H.; Ruge, R.; Noah, R.; Stromann, M. (1997): Orgellandschaft Ostfriesland. Norden: Verlag Soltau-Kurier-Norden.