1 Disposition und Überblick
Erbauer: Karl Schuke im Prospekt von Johann Friedrich Constabel
Jahr: 1960 im Prospekt von 1738
Ort: Ev.-ref. Kirche Greetsiel
Umfang: 6Ip
Principal 8′
Gedackt 8′
Oktave 4′
Oktave 2′
Mixtur 5-6 Fach (4-5 fach nach Stilllegung des höchsten Chores)
Trompete 8′
Pedal: Angehängt
Koppeln: BW/HW, HW/Pedal, BW/Pedal
Tremulant
Zimbelstern
Stimmung: Gleichstufig
Stimmtonhöhe: Normal
2 Geschichte
Vorgeschichte:
1549 oder 1649: Jahreszahl an den Pfeilern der Orgelempore.
1681: Rechnungsbucheintrag für Orgelreparatur.
1696: Bezeichnung der Orgel als Positiv
1694-95: Orgelneubau durch Valentin Ulrich Grotian.
Heutige Orgel:
1738: Orgelbau durch Johann Friedrich Constabel, erstaunlich ist der geringe zeitliche Abstand zum Neubau durch Grotian. Die Orgel wird bis 1913 gepflegt und instand gehalten. Mehrere Kostenvoranschläge zu einem Neubau kommen nicht zur Ausführung
1914: Orgelneubau durch Friedrich Klassmeyer hinter dem Prospekt von Constabel. Die pneumatische Orgel hatte 18 Register auf zwei Manualen und selbstständigem Pedal sowie zahlreiche Koppeln und Effektregister. Ermöglicht wurde das Werk durch eine Spende in Höhe von 7.000 Mark von Fräulein Bauwine Kriegesmann. Die Orgel wird die folgenden Jahrzehnten gepflegt
1941: Größere Überholung des Werkes nach vorheriger Unspielbarkeit durch Klassmeyer, der Orgelsachverständige Enno Popkes bemängelte die laufenden Arbeiten, was zu heftigen Auseinandersetzungen führte. Die restlichen Arbeiten und die weitere Orgelpflege wird Karl Puchar aus Norden zugesprochen.
1950: Renovierung der Orgel durch Karl Puchar nach vorangegangenem Kirchenbrand. Der Orgelsachverständige Hallensleben nimmt die Orgel ab, bemängelt aber -ganz im Sinne des Neobarocks- die spätromatische Klangästhetik.
1955-59: Hallensleben bemängelt diverse Störungen und die Probleme, die sich aus einer solchen großen Orgel im Gehäuse einer Kleinorgel ergeben.
1960: Neubau einer neobarocken Orgel im historischen Prospekt von Constabel durch Karl Schuke.
1990: Änderung der Intonation und Stilllegung des höchsten Chores der Mixtur.
3 Beschreibung und Besonderheiten
Die Orgel verfügt über sechs Register auf einem Manual und angehängtem Pedal und ist auf der Nordostseite aufgestellt.
Beim Betreten der Kirche läuft man unter der Orgelempore hindurch. Dreht man sich nun um, fallen einem zunächst die reichen Verzierungen an der Orgel, den benachbarten Logen und der Empore auf. Von unten betrachtet weisen maximal die Labien der Prospektpfeifen darauf hin, dass nur das Äußere aus dem 18. Jahrhundert stammt. Das wird einem spätestens oben auf der Empore bewusst, denn dort erwartet einem eine moderne Spielanlage aus den 60er Jahren.
Bei der Orgel handelt es sich um eine recht typische neobarocke Kleinorgel. Vorhanden sind sechs Register, davon vier Prinzipale. Der Druckpunkt der Manualtraktur ist ein bisschen kräftiger als normal, aber generell spielt sich die Orgel sehr konfortabel. Der Klang hat ordentlich Kraft und steht gut im Raum. Das muss auch so sein um die langgezogenen Kirche mit gerade einmal sechs Registern klanglich auszufüllen. Der Prinzipal 8′ kann zum Zusammenspiel einer hellen Sopranblockflöte noch verwendet werden, ist dann aber lautstärkemäßig weniger Begleitung, sondern mindestens ebenbürtiger Duettpartner. Mit den Oktaven 4′ und 2′ sowie der Mixtur lässt sich der Prinzipalaufbau dann zum kräftigen Plenum vervollständigen.
Gleichzeitig ist der Klang selbst mit Mixtur nicht allzu hell und scharf. „Dumpf“ wäre eine starke Übertreibung, aber das Prinzipalplenum ist erstaunlich gemäßigt und wenig aufdringlich. Der Klangeindruck kann davon rühren, dass die Kirchenakustik sehr trocken ist. Einerseits ist die Decke aus Holz, aber die Kirche ist auch mit viel Inventar aus Holz gefüllt, beispielsweise mit dem Gestühl oder der gegenüberliegende Empore. Das alles schluckt entsprechend viel Klang. Ein anderer Grund könnte sein, dass man sich 1990 dazu entschlossen hat, den höchsten Chor der Mixtur stillzulegen und die Intonation anzupassen. Ich vermute, dass die Orgel früher mehr Glanz, aber auch mehr Schärfe im Klang hatte, was nicht jedem gefällt und das Instrument entsprechend etwas abgeschwächt wurde. Das war Ende des 20. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. Manchmal wurde auch einfach eine ungleichstufige Stimmung gelegt, was in den Haupttonarten bereits einen harmonischeren Klang ergibt ohne etwas vom Glanz im Klang wegzunehmen (z. B. in Groß Midlum). Das war hier aber nicht der Fall.
Umso schöner ist es, dass mit der kräftigen, obertonreichen Trompete 8′ ein Register vorhanden ist, dass sich gut mit dem Prinzipalplenum verbindet und dem vollem Werk noch einiges an Fülle verleiht. Für einen stillen Klang ist noch ein Gedackt 8′ vorhanden, mit dem sich dann auch leisere Solisten bestens begleiten lassen.
Die größte Stärke dieser Orgel liegt weniger im Instrument selbst, sondern viel mehr darin, dass im abgeschiedenen, malerischen Hafenort Greetsiel ein solides Instrument vorhanden ist. Dort zu spielen hat entsprechend immer was von Urlaub und einer Auszeit.
4 Literaturverzeichnis
Ich gebe keine Gewähr für die Richtigkeit dieses Textes. Dieser Beitrag setzt sich aus Informationen zusammen, die ich bei einem Besuch vor Ort sowie folgenden Quellen erfahren habe:
Nickles, R. (1995): Orgelinventar der Krummhörn und der Stadt Emden. Bremen: H. M. Hauschild.
Dannenberg, H.-E. (Hg.) (2022): Greetsiel, Ev.-ref. Kirche. Stade: Nomine e. V. https://nomine.net/orgel/greetsiel-ev-ref-kirche/ (10.07.2024).