1969 | Pewsum | Hillebrand

Orgelvorstellung und „Gigue“ aus der französischen Suite in c-Moll; BWV 813 (Johann Sebastian Bach) ab Minute 22:46.

1 Disposition und Überblick

Erbauer: Hillebrand
Jahr: 1969
Ort: Ev.-luth. Nicolaikirche Pewsum
Umfang: 20IIP

Hauptwerk:
Prinzipal 8′
Quintade 8′
Oktave 4′
Blockflöte 4′
Oktave 2′
Sesquialt. 2f.
Mixtur 5-7f.
Trompete 8′

Rückpositiv:
Rohrflöte 8′
Prinzipal 4′
Gedackt 4′
Gemshorn 2′
Quinte 1 1/3′
Scharf 3f.
Krummhorn 8′

Pedal:
Subbass 16′
Oktave 8′
Oktave 4′
Rauschpfeife 3f.
Posaune 16′

Koppeln: RP/HW, Ped/HW, Ped/RP
Tremulant für RP

Stimmung: Gleichstufig
Stimmtonhöhe: Normal

2 Geschichte

Vorgeschichte:

1592-93: In Pewsum werden vermeintliche Hexen verfolgt und „befragt“. Ein Bericht ist überliefert, der schildert, dass das Betreten des Kirchhofes verboten sei und die Orgel so laut spielen solle, um die Schreie zu übertönen. Wenn das stimmt, hätte die Kirche bereits zu der Zeit eine Orgel gehabt. Andreas de Mare hat 1567 eine Orgel in der Norder Ludgerikirche gebaut. Der beteiligte Organist Johannes suchte de Mare zur Besprechung mehrfach außerhalb Nordens auf und war unter anderem in Pewsum. de Mare könnte die dortige Orgel gepflegt, repariert oder neu gebaut haben.

1620: Laut einer Nachricht von 1725 soll eine Inschrift nahe der Orgel auf eine größere Reparatur oder einen Neubau 1620 hindeuten.

1753: Johann Friedrich Constabel baut eine neue Orgel, in der er teils altes Material wiederverwendet. Sie weist in Sachen Größe und Konzeption große Ähnlichkeiten mit dem noch vorhandenen Werk in Jennelt auf.

1857-61: Gerd Sieben Janssen ersetzt die Orgel durch eine deutlich größere mit 16 Registern auf zwei Manualen und selbstständigem Pedal.

1911: Die Firma P. Furtwängler und Hammer bescheinigt der Orgel einen schlechten, unrettbaren Zustand.

1919: P. Furtwängler und Hammer bauen eine leicht größere Orgel mit den für die Zeit typischen Spielhilfen und Koppeln. Der Prospekt wird beibehalten.

1953: Die Orgel wird nach neobarocken Maßstäben von Karl Puchar umgebaut und klanglich aufgehellt, nachdem das Instrument nach dem zweiten Weltkrieg immer schlechter spielbar war. Eine Mixtur wird eingebaut.

1963: Der Kirchraum soll umfassend umstrukturiert werden, unter anderem auch, um sich von den umliegenden reformierten Gemeinden abzutrennen.

1967: Die Orgel stand bislang auf den Resten eines mittelalterlichen Lettners auf der Ostseite zwischen Chor und Schiff. Nach einem Gutachten liegt der (denkmalgeschützte!) Prospekt von Janssen im September bereits zerbrochen auf dem Orgelboden. Orgel und Lettner werden abgerissen, Teile des Orgelprospektes werden in Westeraccum für einen Neubau wiederverwendet.

Heutige Orgel:

1969: Hillebrand baut eine neue Orgel.

3 Beschreibung

Die Orgel 2021.

Die Orgel verfügt über 20 Register auf zwei Manualen und selbstständigem Pedal und ist auf der Westseite aufgestellt.

Eine neobarocke Orgel dieser Größe wäre in anderen Regionen normal, in der Krummhörn mit ihren vielen historischen Orgeln ist sie ein Unikat. Zwar gibt es in Groothusen und Canum Orgeln, die mit 19 und 18 Registern nicht wesentlich kleiner sind, die Verteilung der Register auf die beiden Manuale und dem selbstständigen Pedal ist hier beispiellos. Das Pedal in Groothusen ist angehängt und in Canum mit nur drei Registern versehen. Eine Posaune 16′ im Pedal findet sich erst wieder in Emden. Die Pewsumer Orgel hat ihren Nachbarn in Groothusen und Canum außerdem die leicht spielbaren, modernen Klaviaturen nach neobarockem Standard voraus. Sie ist außerdem die einzige Orgel der Krummhörn mit einem Rückpositiv. Die Orgel ist als Allrounder daher auch optimal zum Üben von Werken, deren Interpretation auf den historischen Nachbarn nur eingeschränkt möglich ist.

Die Register sind etwa so, wie man es von einer Hillebrand-Orgel dieser Zeit auch erwartet. Die Disposition könnte auch aus einer Barock-Orgel stammen, der Klang ist aber insgesamt etwas gemäßigter. Das Rückpositiv ist hell und mit der Quinte und dem Scharf sind zwei Stimmen vorhanden, die den Hauptwerksplena noch einiges an Glanz hinzufügen können, wenn das Rückpositiv ans Hauptwerk gekoppelt wird. Das Hauptwerk macht ein wenig den Eindruck, als wäre es mal leicht abgeschwächt worden, eine Maßnahme, die zumindest bei neobarocken Orgeln oft vorgenommen wurde. Der Prinzipal 8′ füllt zwar den Raum gut, ist aber klanglich recht unauffällig und daher ideal zur Begleitung von Soloregistrierungen. Davon gibt es einige sehr schöne in dieser Orgel, vor allem im Rückpositiv. Klangliches Highlight ist das Krummhorn 8′. Mit Gedackt 8′ und Gemshorn 2′ ergänzt ergibt sich ein besonders charaktervoller Soloklang, dessen Wirkung durch den Tremulanten noch einmal deutlich gesteigert werden kann.

Ein Besuch lohnt sich besonders, weil sie die einzige große, neobarocke Orgel in der Krummhörn mit zwei modernen Manualen und selbstständigem Pedal ist.

4 Literaturverzeichnis

Ich gebe keine Gewähr für die Richtigkeit dieses Textes. Dieser Beitrag setzt sich aus Informationen zusammen, die ich bei einem Besuch vor Ort sowie folgenden Quellen erfahren habe:

Dannenberg, H.-E. (Hg.) (2022): Greetsiel, Ev.-ref. Kirche. Stade: Nomine e. V. https://nomine.net/orgel/greetsiel-ev-ref-kirche/ (10.07.2024).

Ev.-luth. Landeskirche Hannover (2025): Pewsum. In: Historisches Kirchengemeindelexikon. https://kirchengemeindelexikon.de/einzelgemeinde/pewsum/ (01.08.2025).

Nickles, R. (1995): Orgelinventar der Krummhörn und der Stadt Emden. Bremen: H. M. Hauschild.