1738 | Jennelt | Constabel

Orgelvorstellung und „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ 1+2 (Johann Gottfried Walther).

1 Disposition und Überblick

Erbauer: Johann Friedrich Constabel
Jahr: 1738
Ort: Ev.-ref. Kirche Jennelt
Umfang: 8Ip

Alle Register von Constabel sofern nicht anders angegeben.

Hauptwerk:
GEDACKT 8′
PRAESTANT 4′ (Ahrend & Brunzema)
FLÖTE 4′
QUINTE 3′
WALDFLÖTE 2′
SESQUIALTERA (2fach, Ahrend & Brunzema)
MIXTUR (3fach)
TROMPETE 8′ BASS + DISKANT (Ahrend & Brunzema)

Pedal: Angehängt an das Hauptwerk

Stimmung: Werkmeister III
Stimmtonhöhe: Ca. 1/4-Ton über Normal

2 Geschichte

Vorgeschichte:

1897: Eine alte Orgel aus Hermannsburg wird gekauft.

1917: Die Orgel wird abgebrochen. Bereits zuvor wird der Zustand des Instrumentes in einer Visitation beklagt. Ein Harmonium wird nun genutzt.

1930: Max Maucher baut eine Orgel mit fünf Registern (Sb. 16′, P. 8′, G. 8′, S. 8′ und Gemsh. 4′) und Schwellwerk. Die Bestandteile bestellt er bei der Firma Laukhuff.

1938: Die Orgel leidet unter Feuchtigkeit.

1939: Enno Popkes äußert sich sehr direkt über die Orgel und gibt Maucher die Schuld am Zustand der Orgel. Er hätte wissen müssen, dass Orgeln mit Taschenlade sehr empfindlich gegenüber Feuchtigkeit seien. Man solle aber nun keine „Dummheit auf die andere draufsetzen“ und eine neue Orgel bauen, da die alte Orgel nun auch nicht so schlecht sei. In einer späteren Nachricht ergänzt er, dass es nun durch das Dach in die Orgel geregnet hat.

1939: Karl Puchar baut eine neue Orgel mit acht Registern (Sb. 16′, P. 8′, G. 8′, S. 8′, O. 4′, F. 4′, Q. 2 2/3′ und Wf. 2′) und verwendet große Teile des alten Werkes wieder.

1953: Der Organist Johannes Koenen (geb. 1888, ruhe in Frieden) stirbt beim Orgelspiel während der vierten Strophe des Liedes „Befiel du deine Wege“.

1955: Ein Gutachten von Rolf Hallensleben bescheinigt dem Werk eine ordnungsgemäße Funktion, wobei er Material und Intonation des Pfeifenwerks kritisiert.

Heutige Orgel:

1738: Die Orgel, die heute in Jennelt steht, wird von Johann Friedrich Constabel gebaut und in der Kirche Bargebur aufgestellt.

1864: Aufstellung der Orgel in der Kirche Hamswehrum durch Otto Carl Wilhelm Lorentz. Dass dafür unabgesprochen ein Orgelboden errichtet wird, führt bei den jeweiligen Ämtern zu Verärgerung.

1912: P. Furtwängler und Hammer bescheinigen der Orgel einen brauchbaren Zustand, empfehlen aber -wie so ziemlich immer- einen Neubau.

Erster Weltkrieg: Abgabe der Prospektpfeifen.

1922-23: Arbeiten durch P. Furtwängler und Hammer, 1926 wird in der Disposition Sesquialtera und Gedackt 8′ nicht benannt, sondern ein Geigenprinzipal 8′, der vermutlich 1922-23 eingebaut wird. Dass der Gedackt 8′, der heute noch original ist, nicht gennant wird, ist wahrscheinlich ein Fehler.

1930: Max Maucher schlägt vor, die „unbrauchbare“ Trompete 8′ durch eine Gambe 8′ zu ersetzen.

1937: Karl Puchar repariert die Orgel, das Abnahmegutachten ist durchaus positiv. Er baut die Prospektpfeifen und die zwei tiefsten Oktaven des Geigenprinzipals neu.

1947 und 48: Enno Popkes erstellt zwei Gutachten, in denen er besonders die Windzufuhr und die Spielanlage bemängelt.

1954: Rolf Hallensleben begutachtet die Orgel und beurteilt das Windwerk als in Ordnung, an der Stelle wurde anscheinend nachgebessert. Er bemänglet die Spielanlage, aber vor allem Pfeifenwerk und Disposition und sieht die Änderungen der letzten Jahrzehnte kritisch.

1969: Die heutige Orgel wird von der Firma Ahrend & Brunzema restauriert und in Jennelt aufgestellt.

3 Beschreibung

Die Orgel verfügt über acht Register auf einem Manual und angehängtem Pedal und ist auf der Westseite aufgestellt.

Die Orgel ist für die Orgellandschaft Ostfriesland von hoher Bedeutung. Constabel hatte zwischen 1730 und 50 nur wenig Konkurrenz und hat viele neue Orgeln gebaut. Aus der Zeit vor und nach Constabel ist viel erhalten, von ihm selber aber nur wenig. Die Jennelter Orgel füllt also eine große Lücke in der Orgelgeschichte Ostfrieslands.

Das Klangbild ist hell und frisch, einziges labiales 8′-Register ist der Gedackt 8′. Die Orgel hat zwei Seiten: Die Plena und die Kammermusik. Die acht Register füllen die Kirche spielend, da neben dem Praestant 4′ und der Quinte 2 2/3′ auch Sesquialtera, Mixtur und Trompete vorhanden sind. Diese Register lassen sich problemlos kombinieren und schaffen eine hohe klangliche Vielfalt. Ahrend & Brunzema haben das Klangpotential bei der Restaurierung voll ausgeschöpft, die Orgel stellt in Sachen Klanggewalt auch deutlich größere Orgeln in den Schatten. Sie schafft aber dennoch den Spagat, nicht schrill zu sein und auch die Plena weisen eine hohe klangliche Feinheit auf. Besonders schön ist der kammermusikalische Charakter der Orgel durch die drei Flötenstimmen. Constabel hat auf eine Oktave 2′ zugunsten einer Waldflöte 2′ verzichtet, eine Entscheidung, die vielleicht schon in den Spätbarock weist. Die Flöten haben eine merkliche, aber ausgeglichene Ansprache und mit schnellem, artikuliertem Spiel „plätschert“ der Ton auf spektakuläre Art durch den Raum, der für diese Orgel wie gemacht scheint, obwohl die Orgel ja eigentlich für Bargebur gebaut wurde.

Gegenüber vielen übrigen Barockorgeln Ostfrieslands hat die Jennelter Orgel einen großen Vorteil: Sie gehört zu der ersten Generation von Orgeln in Ostfriesland, die keine kurze Oktave mehr hat. Vorherige Orgeln, wie die von Schnitger, von Holy oder Grotian sind immer auf Werke beschränkt, die eine kurze Oktave zulassen, teilweise sind nicht einmal Fis und Gis in Subsemitonen oder im Pedal vorhanden. Das klingt zwar in erster Linie wie ein Mangel, das war zu der Zeit aber völlig normal und die entsprechende Musik daran angepasst. In Jennelt stellt sich dieses Problem aber gar nicht erst. So lange nicht zwei Manuale und/oder das Pedal nicht selbstständig sein muss, lassen sich darauf auch Werke von Pachelbel, Bach, etc. umsetzen.

Ein Besuch lohnt sich besonders, weil hier die vielen Plena und kammermusikalischen Qualitäten einer barocken Kleinorgel erfahrbar sind, ohne sich wegen einer kurzen Oktave beschränken zu müssen.

4 Literaturverzeichnis

Ich gebe keine Gewähr für die Richtigkeit dieses Textes. Dieser Beitrag setzt sich aus Informationen zusammen, die ich bei einem Besuch vor Ort sowie folgenden Quellen erfahren habe:

Dannenberg, H.-E. (Hg.) (2022): Jennelt, Ev.-ref. Kirche. Stade: Nomine e. V. https://nomine.net/orgel/jennelt-ev-ref-kirche/ (28.07.2025).

Kaufmann, W. (1968): Die Orgeln Ostfrieslands – Orgeltopographie. Aurich: Ostfriesische Landschaft.

Nickles, R. (1995): Orgelinventar der Krummhörn und der Stadt Emden. Bremen: H. M. Hauschild.

Vogel, H.; Ruge, R.; Noah, R.; Stromann, M. (1997): Orgellandschaft Ostfriesland. Norden: Verlag Soltau-Kurier-Norden.