1799 | Arle | Müller/Rohlfs I

Orgelvorstellung, „Gelobet seist du, Jesu Christ“ BWV 604 (Johann Sebastian Bach) und „Lob sei dem allmächtigen Gott“ BWV 704 (Johann Sebastian Bach)

1 Disposition und Überblick

Erbauer: Hinrich Just Müller/Johann Gottfried Rohlfs
Jahr: 1799
Ort: Kirche St. Bonifatius Arle
Umfang: 18IIp

Hauptwerk:
Quintadena 16′ (=Bordun 16′)
Principal 8′
Gedact 8′
Viola di Gamba 8′
Octav 4′
Rohrfloete 4′
Quinte 3′ (=Quintflöte 2 2/3′)
Octave 2′
Waldfloete 2′
Mixtur 4f
Trompet 16′ (B+D)
Dulcian 8′ (B+D)

Brustwerk:
Gedact 8′
Fluit douce 4′
Gemshorn 2′
Scharff 3f
Sesquialter 2f
Regal 8′

Pedal: Angehängt an HW

Manualkoppel
Tremulant

Stimmung: Ungleichstufig
Stimmtonhöhe: Chorton

2 Geschichte:

Vorgeschichte:

1630: Ein Organist ist bezeugt, die Orgel steht auf einem steinernen Lettner vor dem Chor.

1760: Umfangreiche Überholung durch Johann Friedrich Constabel und seinem Gesellen Johann Friedrich Zimmermann.

Heutige Orgel:

1799: Bau der Orgel durch Hinrich Just Müller und Johann Gottfried Rohlfs auf einem neuen Lettner aus Holz. Die Disposition erstellte der Schulmeister Neddersen. Das Brustwerk bleibt aufgrund finanzieller Engpässe leer. Ebenso wurde wahrscheinlich älteres Pfeifenwerk wiederverwendet. Eine genaue Untersuchung steht aber noch aus.

1847: Pastor Voß nennt die Disposition. Sie ist identisch mit der heutigen, oben aufgeführten.

1858/59: Die Quintadena 16′ wird durch einen Bordun 16′ ersetzt. Das Register ist heute als Quintadena beschriftet, klanglich aber ein Bordun. Nomine gibt in deren Disposition einen originalen Bordun an. Vielleicht klärt sich diese Ungereimtheit während der Stand 2023 geplanten Restaurierung.

1896: Diepenbrock verlegt die Orgel an die Westseite.

1952: Die Orgel wird unter Denkmalschutz gestellt und durch Alfred Führer instant gesetzt.

1999/2000: Martin ter Haseborg restauriert die Orgel und erweitert sie um das von Müller und Rohlfs vorgesehene Brustwerk.

ab 2023: Eine erneute Restaurierung ist geplant.

3 Beschreibung und Besonderheiten

Die Orgel verfügt über 8 Register auf einem Manual und angehängtem Pedal und ist auf der Westseite aufgestellt.

Der Klang wird an dieser Stelle nicht kommentiert, das sich Instrument momentan in einem sehr schlechten Zustand befindet. Tremulant und Manualkoppel sind nicht nutzbar. Der Tastengang ist sehr uneben und die Windversorgung ungleichmäßig. Eine Restaurierung ist Stand 2023 geplant.

Interessant ist, dass die Disposition wesentlich älter anmutet, als sie ist. Während in anderen Orgeln dieser Zeit in Ostfriesland Soloregister wie die Traversflöte oder das labiales Cornet aufkamen, findet man hier zeittypische Register vergeblich. Das einzige Register, was zumindest noch nicht seit Jahrhunderten in Ostfriesland gab, ist die Viola di Gamba 8′, welche zum Teil sogar original ist. Die Quintadena 16′, die eigentlich längst durch den Bordun 16′ abgelöst sein sollte, unterstreicht die konservative Ausrichtung.

Die Verbindung aus konservativer Disposition und einer Streicherstimme, der Viola di Gamba, weckt Assoziationen an Johann Sebastian Bach. Der hat nur in Sonderfällen Registrierungen hinterlassen. Aus seinen Orgelgutachten, vor allem seinen Vorstellungen für Mühlhausen, und den ihm zur Verfügung stehenden Dienstorgeln lassen sich aber zumindest Tendenzen ableiten. Zunächst wird an verschiedenen Stellen klar, dass er Gravität im Klang wertschätzte. Arle hat gleich zwei 16′-Register, darunter auch eine Trompete 16′. Dass im Manual einer Orgel dieser Größe eine Trompete 16′ vorhanden ist, ist selten in Ostfriesland. Den Platz nimmt eigentlich immer ein Dulcian 16′ ein, da das Register deutlich platzsparender ist, besonders in der tiefen 16′-Lage. Die Trompete 16′ sorgt mit dem kräftigen, grundtönigen Klang für ordentlich Gravität in den Plena. Sowohl Bachs Gutachten, als seine Dienstorgeln und sogar Nachrichten seiner Schüler betonen den Wert von Streicherstimmen für das Spiel der Werke Bachs. Eine Streicherstimme ist in Arle vorhanden. Überschneidungen mit Bachs Vorstellungen von Mühlhausen und der Disposition in Arle gibt es außerdem mit einer Sesquialtera als terzhaltiges Register, mit einem Nasard (in Arle „Quinte 3′“, das ist aber definitiv eine Flöte in Quintlage) und einer Flöte douce 4′. Die Orgeln der von Bach geschätzten mitteldeutschen Orgelbauer wie Wender oder Trost tendier(t)en zu einem etwas gemäßigterem Klang, als die des norddeutschen Barock, die eine durchdringende Schärfe ausmach(t)en. Die Arler Orgel ist alleine zeitlich begründet schon etwas gemäßigter, gehört sie -erbaut 1799- nicht mehr direkt der Kernzeit des Barocks an. Sie ist außerdem ungleichstufig gestimmt, alle Tonarten sind spielbar, allerdings mit einer hörbaren Tonartencharakteristik. Auch das kommt den Werken Bachs zugute. Eine 100 %tige Bach-Orgel ist die in Arle allerdings nicht, da Bach ein fehlendes Pedalwerk kritisiert hätte. Dieses ist nämlich lediglich an das Hauptwerk angehängt. Abgesehen davon kommt sie einer optimalen Orgel für die Interpretation der Werke Bachs für ostfriesische Verhältnisse schon ziemlich nahe. Denn auf den wirklichen Barock-Orgeln Ostfrieslands, die zu Bachs Lebzeiten gebaut wurden, lassen sich viele seiner Werke wegen der Kurzen Oktave und der Mitteltönigkeit, die nicht das Spiel in allen Tonarten erlaubt, alleine physisch schon nicht darstellen. In seltenen Fällen, z. B. in Weener (Georgskirche) oder Canum, geht das dann aufgrund späterer Erweiterungen. Ein Streichregister wie eine Viola di Gamba 8′ hat aber keine der beiden Orgeln. Das heißt natürlich nicht, dass man in Weener kein Bach mehr spielen sollte, ganz im Gegenteil, mit der Orgel in Arle kann sich aber noch mehr der Klangästhetik Bachs angenähert werden.

Die größte Stärke dieser Orgel liegt darin, dass hier im norddeutschen Raum eine historische Orgel vorhanden ist, die einer geeigneten Disposition zur Interpretation der Werke J. S. Bachs sehr nahe kommt.

4 Literaturverzeichnis

Dieser Beitrag setzt sich aus Informationen zusammen, die ich bei einem Besuch vor Ort sowie folgenden Quellen erfahren habe:

Ahrends, C. (2000): Eine Registrieranweisung des Bachschülers Johann Friedrich Doles (ca. 1769). In: Ars Organi/48(2): S. 76-79.

Dannenberg, H.-E. (Hg.) (2022): Arle, St. Bonifatius. Stade: Nomine e. V.
https://nomine.net/orgel/arle-st-bonifatius/ (30.01.2024).

Faulkner, Q. (1995): Die Registrierung der Orgelwerke J. S. Bachs. In: Bach-Jahrbuch/81: S. 7-30.

Kaufmann, W. (1968): Die Orgeln Ostfrieslands – Orgeltopographie. Aurich: Ostfriesische Landschaft.

Wolff, C. und Zepf, M. (2008): Die Orgeln J. S. Bachs. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt.