Alle Orgeln haben eines gemeinsam, die verschiedenen Klangfarben werden in Register eingeteilt. Register gibt es in unzähligen Variationen. Das (meiner Meinung nach sehr empfehlenswerte) Buch “Orgelregister – ihre Namen und ihre Geschichte” von Roland Eberlein hat beispielsweise gut 800 Seiten. Dieser Artikel hier ist entsprechend gedacht als erster Überblick.
Jede Orgelpfeife kann nur einen festen Ton erzeugen. Um eine Tonleiter zu spielen, wird also eine Reihe von Pfeifen gebraucht. Mit Registerzügen können die Pfeifenreihen gezielt an- und ausgeschaltet werden. Man kann also als Organist mit Registern den Klang der Orgel zusammenstellen.
Ein Register kann eine oder mehrere Pfeifenreihen beinhalten. Man benennt ein Register meistens nach der Größe der größten Orgelpfeife, bei einem 8′-Register ist beispielsweise die größte Pfeife 8′ hoch, was ca. 2,40 m entspricht. ” ‘ ” steht für das alte Längenmaß Fuß und ist historisch bedingt. Ein 8′-Register spielt man in Normallage, also die Tonhöhen, die auch ein Klavier erzeugt. Je länger die Pfeife ist, desto tiefer wird der Ton, wobei die Länge proportional zur Tonhöhe ist. Wenn man eine Pfeife halbiert, verdoppelt sich die Tonhöhe und man erhält einen Ton, der eine Oktave über dem ursprünglichen Ton liegt. Diesen Effekt nutzt man auch im Orgelbau um dem Orgelklang einen Charakter zu geben. Ein 4′ Register liegt beispielsweise eine Oktave über dem 8′ Register, da das Verhältnis der Pfeifenlänge des 4′ Register gegenüber dem 8′ Register bei 1:2 liegt. Dieses Prinzip lässt sich so weiterführen, ein 2′ liegt zwei Oktaven über dem 8′, ein 1′ Register sogar 3. Dieses System ist auch in die andere Richtung möglich, ein 16′ Register liegt eine Oktave und dem 8′, ein 32’ sogar zwei. Diese Register sind meistens im Pedal anzutreffen, mit Hilfe dessen der Bass gespielt wird.
1 Die Wahrnehmung eines Klanges
Das, was der menschliche Hörsinn als Klang wahrnimmt, sind periodische Schwingungen, die sich in Teiltöne unterteilen lässt. Diese Teiltöne summieren sich zu einem Klang. Der tiefste Teilton ist dabei der Grundton, den wir als Tonhöhe wahrnehmen, alle darüber geschichteten Teiltöne, auch Naturtöne, Partialtöne oder Aliquottöne genannt, sind ganzzahlige Vielfache des Grundtones und stehen dazu in Schwingungsverhältnissen von 1:2; 2:3; 3:4; usw.. Je nachdem, wie stark diese einzelnen Obertöne ausgeprägt sind, kann das menschliche Gehirn zwischen Klangfarben unterscheiden und auch Tonhöhen, bzw. den Grundton erkennen, wenn dieser kaum oder sogar gar nicht zu hören ist. Die Ausprägungen der Obertöne und die damit verbundene Klangfarbe z.B. einer Orgelpfeife hängen von verschiedenen Faktoren, u.a. von der Bauart, ab.
2 Klangvariation durch Material und Bauart
Die gebräuchlichsten Materialien sind Zinn und Blei sowie Legierungen aus diesen beiden Metallen, aber auch Kupfer, Bronze und natürlich Holz.
Was die Bauform betrifft, wird grundsätzlich zwischen Labial- und Lingualpfeifen unterschieden. Bei den Labialpfeifen erfolgt die Klangerzeugung wie bei einer Blockflöte. Die Luft gelangt von unten in Pfeife hinein und wird durch einen engen Spalt, genannt Labium (lat. für Lippe), in Schwingung versetzt. Es baut sich in der Pfeife eine schwingende Luftsäule auf, je höher die Luftsäule, desto tiefer ist der Ton. Die Pfeifen können oben an der Pfeife mit Hilfe eines kleinen Einschnittes gestimmt werden, welcher die Pfeifenlänge variiert, oder sie werden einfach dauerhaft auf Länge geschnitten.
Die Labialpfeifen teilen sich wiederum in mehrere Untergruppen. Die wohl bekannteste Gruppe ist das Prinzipalregister, das sind die Pfeifen, die auch meistens im Prospekt einer Orgel stehen, sie kommen in den meisten Pfeifenorgeln vor. Die Prospektpfeifen sind übrigens in den meisten Fällen Zierpfeifen, nur selten ist das Prospekt klingend. Die Prinzipale sind oben offen und haben eine im Vergleich zu anderen Pfeifenarten mittelgroße Mensur. Sie erzeugen einen klaren Grundton mit vielen Obertönen, die den Grundton aber nicht verdecken. Aufgrund dieser Eigenschaft dienen diese Pfeifen als Grundgerüst eines Orgelplenums.
Labialpfeifen mit weiterer Mensur als den Prinzipalen sind die Flöten. Sie sind meist wärmer, runder und grundtöniger. Wird der Prinzipalpfeife ein Deckel aufgesetzt, wird die Schwingung an dem Ende reflektiert, sodass die Pfeife eine Oktave tiefer klingt. Auf eine bestimmte Art intoniert, tritt der zweite Teilton, die Quinte, deutlich hervor. Dieses Register wird als Quintadena bezeichnet. Register, die sowohl eine weitere Mensur haben, also zu den Flötenregistern gehören, und einen Deckel, sind so genannten Gedackte. Sie haben nur ungerade Obertöne und klingen sehr weich und warm.
Manchmal befindet sich oben am Deckel noch ein kleines Rohr um Luft durchzulassen, diese Rohrflöte erhält dadurch im Vergleich zum Gedackt wieder etwas Helligkeit im Klang.
Streicher sind in der Regel offene Pfeifen mit schmalerer Mensur als der von Prinzipalen. Der Klang von Streichregistern ist sehr obertonreich, oder, anders gesagt, mit viel Strich. Die Register sind wenig grundtönig und werden auch nach Streichinstrumenten benannt, z.B. Viola oder Gambe.
Schwingungen können auch durch ein dünnes Metall- oder Rohrplättchen erzeugt werden, vergleichbar mit einer Klarinette, Oboe oder einem Saxophon. Der vom Windwerk erzeugte Luftstrom bringt dieses Plättchen zum Schwingen, welches wiederum die Schwingungen an die Luftsäule darüber weitergibt. Diese Pfeifen heißen Lingualpfeifen oder Zungenpfeifen. Sie sind deutlich obertonreicher und unterscheiden sich stark in ihrer Klangfarbe von den Labialpfeifen. Da sie dem Klang von Trompeten und anderen Blechblasinstrumenten ähneln, werden sie auch oft nach diesen benannt. Sie bilden in mehreren Fußlagen verwendet eine Art Fanfarenchor. Die Spanische Trompete ist sogar horizontal angeordnet, damit der Klang direkt zum Zuhörer gelangt, was einem Plenum noch mehr Kraft gibt. Gleichzeitig gibt es gerade in der Romantik auch viele leise Zungenstimmen, wie z.B. die Klarinette oder die Vox Humana, die einer menschliche Stimme ähnelt. Man verwendet diese als Solostimmen. Im Barock baute man dazu noch Register mit bewusst schnarrendem Klang, wie dem Regal oder dem Krummhörn.
3 Klangvariation durch Aliquoten
Der orgeltypische Klang kommt auch durch so genannte Aliquotenregister zustande. Diese spiegeln die Obertöne des Grundtons wieder, je nachdem in welchen Kombinationen diese gezogen werden, ändert sich die Klangfarbe.
Zunächst ist die normale Lage, die auch beispielsweise beim Klavier erklingt, die 8′-Lage. Diese Lage wird auch als Aequallage bezeichnet. Aliquoten sind Register, mit denen sich nun diese 8′-Lage färben lässt. Dieses geschieht analog zur Obertonreihe. Die Oktave 4′ entspricht entsprechend dem ersten Oberton, Quinte 2 2/3′ dem zweiten. Mit 8′ und 4′ zusammen erzeugt dieses Quintregister einen Klang, den man am ehesten als näselnd beschreiben kann. Der nächste Oberton ist dann die Oktave in 2′ Lage, eine sehr gebräuchliche Kombination zur Liedbegleitung ist 8′, 4′ und 2′. Die Terz 1 3/5′ ist da schon weniger flexibel, dafür umso charakteristischer. Da sie sich allein mit dem Grundton nicht ganz so gut mischt, wird sie häufig in Kombination mit den Oktavregistern und der Quinte 2 2/3′ verwendet. Die Quinte 1 1/3′ ist da weit weniger charakteristisch und wegen seiner relativ einfachen Bauform hin und wieder sogar in kleinen historischen Orgeln vertreten. In solchen Orgeln eher unüblich ist die Septime 1 1/7′, die erst in größeren Orgeln manchmal verwendet wird. Sie mischt sich noch schlechter, als die Terz und kann daher nur in Chören mit anderen Quinten und Terzen verwendet werden, wenn nicht gerade gezielt experimentelle Klänge erzeugt werden sollen. Die Oktave 1′ ist dafür wieder häufiger vorhanden, vor allem in gemischten Registern. Das Schema der Aliquotenregister als Abbildung der Obertöne lässt sich prinzipiell immer weiterführen, wobei es Aufgabe des Organisten ist, die Register künstlerisch wertvoll zu kombinieren.
Aliquoten können prinzipiell in allen Bauformen vorkommen. In den meisten Orgeln sind Register enthalten, die nach Intervallen benannt sind, beispielsweise Oktave 4′, Quinte 2 2/3′ oder auch die Superoktave 2′. Diese gehören üblicherweise zu den Prinzipalen. Es gibt aber auch Flötenaliquoten, die tendenziell eher Eigennamen haben, z. B. ist der Nasard eine Flöte in Quintlage (Ausnahmen bestätigen die Regel). Aliquoten von Streichregistern sind von einfachen Oktaven abgesehen, eher selten. Zungenstimmen gibt es bis auf wenige Einzelstücke nur in Oktavschritten.
Im Pedal (und manchmal auch im Hauptwerk) ist meistens kein 8′ Register Basis, sondern tiefere Register, wie ein 16′ oder 32′. Der Aufbau der Aliquotregister orientiert sich ebenfalls am Obertonaufbau, baut nun allerdings auf eine tiefere Basis auf. Ist ein 32′ Register die Basis, liegt beispielsweise die erste Quinte, also der zweite Oberton bei 10 2/3′. Oft wird auch das Prinzip der Residualtöne, auch Differenztöne genannt, genutzt. Das menschliche Gehirn braucht nicht immer einen Grundton um eine Tonhöhe zu erkennen, Obertöne sind zum Teil ausreichend. So kann aus einem 10 2/3′ und einem 16′ der Eindruck eines 32′ gewonnen werden. Dies geht auch, wenn Register theoretisch unter der Hörgrenze liegen, so kann aus einem 21 1/3′ und einem 32′ ein akustischer 64′ gebaut werden. Die tatsächliche Tonhöhe eines 64′ ist zumindest in der tiefsten Oktave nur noch als Infraschall, also als Vibration im Körper zu bemerken, durch die Residualtöne kann dies umgangen werden und ein tatsächliche Höreindruck einer Tonhöhe entsteht. In Pedal-Soli, wie sie z.B. bei Bach vorkommen, kann, selbst wenn ein entsprechendes Register vorhanden ist, die Grundstimme ebenfalls weggelassen werden. Damit kann vermieden werden, dass der Klang durch den Hall zu dunkel und undurchsichtig wird.
16′ und 4′ im Pedal in Groß Midlum:
4 Gemischte Stimmen
Pfeifenreihen verschiedener Tonhöhen und seltener auch Bauformen können zusammengefasst werden, sodass bei Betätigung des entsprechenden Registerzugs gleich mehrere Pfeifenreihen erklingen. In erster Linie ist dies als Spielhilfe für den Organisten gedacht, da das Ändern jeder einzelnen Pfeifenreihe einen höheren Zeitaufwand hätte und damit mit einem einzigen Registerzug ein großer Effekt erzeugt werden kann. Man stellt dem Registernamen dann die Anzahl der Pfeifenreihen hinterher. Eine Mixtur z.B. 4f. beinhaltet beispielsweise 4 Pfeifenreihen.. Am einfachsten aufgebaut ist die Sesquialtera 2f., zusammengefasst werden Quinte 2 2/3′ und Terz 1 3/5′. Das Register ist traditionell prinzipalisch, kann in neobarocken Orgeln aber auch aus Flöten bestehen. Eine gemischte Stimme aus Flötenregistern ist das Cornet. Als fünffaches Register besteht es aus Flöten in 8′-, 4′-, 2 2/3′-, 2′- und 1 3/5′-Lage.
Einige Register werden als Klangkronen bezeichnet und genutzt um ein Plenum zu erzeugen, also einen strahlenden Gesamtklang. Die Klangkronen geben auch tiefen Tönen hohe Obertöne, zum Teil über der 1′-Lage. Spielt man nun in höheren Lagen, tritt das Problem auf, dass Obertöne, bzw. einzelne Pfeifenreihen an die obere Hörgrenze stoßen und damit nicht mehr wahrnehmbar sind. Daher springen diese Register in regelmäßigen Abständen in eine tiefere Lage zurück und beginnen erneut, die Klangkronen repetieren. Die gebräuchlichste Klangkrone ist die Mixtur, sie steht dabei meist in Hauptwerk und Pedal und beinhaltet Quinte und Oktaven.
5 Schwebungen
Vereinzelt sind Register bewusst um wenige Cent verstimmt um in Kombination mit einem gestimmten 8′ Register eine Schwebung zu erzeugen. Das menschliche Gehirn nimmt diese geringen Verstimmungen noch nicht als dissonant wahr. Der Klang wird als sphärenhaft beschrieben und wird fast ausschließlich im romantischen Orgelbau verwendet. Schwebungsregister sind beispielsweise die Vox Celeste oder die Unda Maris.
6 Registerwalze und Schweller
Mit der Register- oder Crescendowalze werden nacheinander Register hinzugeschaltet, sie reicht in ihrer Dynamik von pianissimo bis zum fortissimo-Plenum. Durch den sukzessiven Gebrauch der Register wird die Illusion einer Übergangsdynamik hergestellt, obwohl alle Register, die zugeschaltet werden, direkt mit ihrem vollen Klang klingen. Die Walze wird nur in der spätromantischen Musik eingesetzt, manchmal auch in der modernen.
Eine wirklich stufenlose Übergangsdynamik wird mit dem Schweller erzielt. Hier werden Lamellen geöffnet und geschlossen. Im Gegensatz zur Walze ist der Schweller schon im 18. Jahrhundert in England bekannt und verbreitete sich von dort aus in die anderen Orgellandschaften. Selbst kleinere Orgeln haben manchmal Schweller. Einen Peak erreichte der Gebrauch von Schwellern in der französischen Romantik, während zeitgleich in Deutschland eher Registerwalzen verwendet wurden.
Ein Paradebeispiel für das dynamische Spiel ist die Orgel des Berliner Doms. Diese besitzt eine Crescendowalze mit 22 verschiedenen Abstufungen. Sie beginnt mit fünf leisen Stimmen in 8′ Lage auf der ersten Stufe bis hin zu über 100 Stimmen in der letzten. Der Klang dieser Orgel folgt dem romantischen Ideal einer Orgel und ist mit einem Symphonieorchester vergleichbar. Gleichzeitig kann der Ton auch über mehre Schweller stark beeinflusst werden, eine Solostimme, die „Vox Humana“ steht sogar in einem eigenen Schwellkasten. Für das polyphone Spielen beispielsweise einer Bachschen Fuge, für die klare, helle Konturen benötigt werden, sind diese Vorrichtungen nicht geeignet. Gedacht sind sie für den symphonischen Klang in der romantischen Orgelmusik, komponiert durch z. B. Max Reger oder Sigfrid Karg-Elert.
7 Der Tremulant
Hier handelt es sich um ein Effektregister, mit dem der Druck des Luftstromes periodisch abgesenkt und wieder angehoben wird. So kann eine Art Vibrato hergestellt werden, wie man es beispielsweise vom Operngesang kennt.
(c) Jan Klaassen 2019